Calchère (Kalköfen) im Val Canzoi

Calchère im Val Canzoi
(photo von: PN Dolomiti Bellunesi)

Lage: Val Canzoi – Gemeinde Cesiomaggiore (Bl).

Zugang: auf der Straße ins Val Canzoi. Man fährt von Feltre oder Cesiomaggiore aus (Provinzstraße Pedemontana Nr. 12) nach Soranzén und folgt dort den Hinweisschildern ins Val Canzoi. Am Talschluss findet man diverse Parkplätze und kann von dort aus mehrere Calchère (Kalköfen) besichtigen.

Landschaft – Beschreibung: Das Val Canzoi ist ein Quertal des Valle del Piave, das man vom Raum Feltre aus sehr gut sehen kann, und es ist einer der wichtigsten Zugänge in den Nationalpark.  Vor allem im Sommer ist das Tal ein sehr beliebtes Ausflugsziel, und es bietet eine hochinteressante Landschaft (Geologie und Flora) und historische wertvolle Spuren des  Lebens von einst.  Das Tal wurde vom Caorame Bach tief und eng ausgewaschen und ist im Norden vom mächtigen und beeindruckenden Monte Sass de Mura (2550 m) abgeschlossen.  Über die vielen Wanderwege, die im Val Canzoi abgehen, gelangt man ins Herz der Gruppe Alpi Feltrine und zu ihren einmaligen Naturschätzen. Das Tal liegt im Gemeindegebiet Cesiomaggiore und gehört auf einem Abschnitt auch zum Nationalpark.
Das Val di Canzoi hat zahlreiche Bauten aus der vorindustriellen Epoche: die charakteristischen “Calchère” (Kalköfen), die als mehr oder weniger rudimentäre Strukturen im gesamten Raum Belluno verbreitet sind.  Sie dienten zur Herstellung von Branntkalk, und für gewöhnlich findet man sie in der Nähe von Bächen und Wäldern.  Im Val Canzoi trugen die gute Qualität des Kalksteins und die großen Holzreserven dazu bei, dass sich eine richtige Branntkalk-Industrie entwickelte; praktisch die gesamte heimische Bevölkerung war jedes Jahr einige Monate mit dem Kalkbrennen beschäftigt.  

Bauzeit: unbekannt.

Architektonische Merkmale:
kleine Öfen zur Gewinnung von Branntkalk, runde Steinstrukturen an den Berghängen. Historisch sehr interessante Zeugnisse.


Siedlungsform (Beschreibung der Gebäude)
Die “Calchère” (das ist der mundartliche Name für die charakteristischen Kalköfen in der Zone) sind große, runde Öfen am Berghang; seltener (und nicht hier im Val Canzoi) gibt es auch freistehende Öfen mit Kamin. Die „Calchère” im Val Canzoi sind in den Boden eingelassene und nach oben zu komplett offene Bauten. Unten am Boden hatten sie eine quadratische Tür, durch die eingeheizt und Holz nachgelegt wurde.  Die Öfen waren mit ordentlich aufgereihten Steinen angefüllt, wobei sich die kleineren unten befanden und die größeren oben – und diese bildeten nach oben hin eine geschlossene Kuppel, über die anschließend eine Schicht Schotter kam. Die Struktur selbst ist gemauert, mit unregelmäßig verlaufenden Mauern aus Stein und Mörtel (zugehauene und hitzefeste Steine) oder aus Ziegelsteinen und Mörtel. Die aus Ziegel gebauten Öfen stammen aus späteren Epochen und sind rarer; im Val Canzoi findet man aber auch diese. 


Ursprüngliche Nutzung – Erhaltungszustand / heutige Nutzung
Kalköfen; bis in die 50er Jahre letzten Jahrhunderts in Betrieb. Heute werden sie nicht mehr verwendet und sind meist in ziemlich baufälligem Zustand. Einige Exemplare wurden vor ein paar Jahren saniert und sind interessante historische Zeugnisse.


Anmerkungen
Das Handwerk zur Herstellung von Branntkalk war im Raum Belluno sehr verbreitet.  Die Position der Kalköfen hing grundsätzlich von der Verfügbarkeit von Holz und Kalkstein ab. Einige dieser Öfen befanden sich auch im Hochgebirge (diese waren für gewöhnlich kleiner, und den dort gewonnenen Kalk verwendete man für den Bau von Almhütten und „Majolere”).  
Im Val Canzoi gab es besonders viele mittelgroße und große Kalköfen (insgesamt 30,  17 davon sind heute noch erhalten), und das Tal war somit ein richtiges Kalkindustriezentrum. Den Branntkalk verwendete man für den Hausbau, aber auch zur Desinfektion von Räumen und Pflanzen. Die Produktion erfolgte einmal jährlich im Frühjahr, und die Menge richtete sich nach dem Auftragsvolumen.   
Die Verbrennung dauerte mindestens vier Tage. Anschließend kamen die Steine in einen Graben. Dort wurden sie solange befeuchtet, bis sie in feines Pulver zerbröckelten.  Den so erhaltenen Kalk (ungelöschten Kalk)  filterte man dann, indem man ihn einem langwierigen Prozess zum Löschen unterzog (gelöschter Kalk).
Vor einigen Jahren wurden einige Exemplare im Val Canzoi saniert, wie zum Beispiel in Fraìna Alta, in La Guarda und weiter talwärts die “Calchèra Pattachin”. Die letzten beiden sind einfach zu finden, denn sie befinden sich direkt an der Fahrstraße.
Andere sehenswerte Kalköfen gibt es in Al Pretün, in La Guarda (gleich oberhalb des restaurierten Ofens), und links vom Caorame Bach unterhalb von Fraina Bassa gleich nach der Brücke.


Literaturverzeichnis
Fornaci da calce (calchère) in Val Canzoi: un esempio di riuso e di tutela
, Comunità Montana Feltrina – Centro per la documentazione della cultura popolare, Feltre 1991.
Quericig Lanciato A. – Val Canzoi – Fornaci da calce, tipolitografia editoria DBS Rasai di Seren del Grappa (Bl) 2001

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