Komplex im Valle del Mis
Lage: Canal del Mis – Lok. La Stua – Gemeinde Gosaldo (Bl)
Zugang: Provinzstraße Nr. 2 “della Valle del Mis” auf dem Abschnitt zwischen Titele und Gena Bassa (2,5 km von Gena Bassa entfernt); Parkmöglichkeit.
Landschaft – Beschreibung: Das Valle del Mis bildet die Grenze zwischen den Berggruppen Alpi Feltrine und Monti del Sole und ist ein idealer Zugang in den Nationalpark. Man gelangt auf einer guten Fahrstraße direkt in die zentrale Region des Naturschutzgebietes und findet neben interessanten Siedlungsformen auch viele herrliche Naturschätze. Früher gab es im Valle del Mis zahlreiche Siedlungen, die das ganze Jahr über bewohnt waren. Sie befanden sich vorwiegend unten im Tal, einige andere aber auch weiter oben in sonnigen Zonen. Heute sind diese Dörfer praktisch unbewohnt und das ganze Gebiet zeigt nur mehr wenig Spuren menschlichen Wirkens. Der zum Nationalpark gehörende Abschnitt erfuhr eine komplexe Umgestaltung, als das Wasserkraftwerk gebaut und der See aufgestaut (1957 – 1962) wurde. Dabei “verschwanden” Dörfer, Ackerland und auch die frühere Straße. Ein weiteres einschneidendes Ereignis für die Zone war die furchtbare Überschwemmung im Jahr 1966, die enorme Schäden anrichtete. Jahrzehntelang war das höher liegende Gebiet des Canal del Mis von der Umwelt abgeschnitten, und das trug natürlich auch dazu bei, dass die Menschen abwanderten und das Tal seit 1972 praktisch unbewohnt ist. Auf dem letzten Abschnitt des Canàl del Mis, kurz bevor das Tal seine engste Stelle erreicht, kommt man nahe den waldigen Berghängen von Gosaldo in das winzige Dorf La Stua (482 m Seehöhe). Genau hier fließen die Bäche Rui Bianch und Mis zusammen und bilden die Grenze zwischen den Gemeinden Sospirolo und Gosaldo. La Stua ist etwa 11 km von Sospirolo entfernt. Es gehört zur Gemeinde Gosaldo und liegt im Gebiet des Nationalparks.
Bauzeit: Anfang des 20. Jahrhunderts, mit späteren Um- und Zubauten
Architektonische Merkmale: Kleiner Wohnort und anschließend “Station” an der Straße durch das enge Tal Canal del Mis (ehemalige Gastwirtschaft, Wohnbauten, Werkstatt). Historisch sehr interessant.
Siedlungsform (Beschreibung der Gebäude)
Die seit der Überschwemmung von 1966 unbewohnte Siedlung Stua befindet sich an der antiken Straße durch das Mis Tal und bestand aus einem Gasthaus (Osteria), zwei Wohnbauten, einer Werkstatt und kleineren Wirtschaftsgebäuden. Den Standort der Bauten hat man nach einem wohl durchdachten Plan bestimmt (damit sie alle möglichst viel Sonne und Licht erwischen – was vor allem in den langen und kalten Wintern notwendig war). Durch das Dorf führen schmale Wege und Stiegen, und auf denen gelangt man auch auf eine hinter der Siedlung liegenden Terrasse. Dort hat man früher Obst und Gemüse angebaut, Heu geerntet und die Wasserzufuhr zu einer kleinen Mühle geregelt.
- Das ehemalige Gasthaus ist ein vierstöckiges Gebäude aus Stein und Holz mit Schindeldach. Auch wenn es mittlerweile in baufälligem Zustand ist, kann man noch sehr gut die ursprünglichen und originalen baulichen Merkmale erkennen. Es wurde im frühen 20. Jhdt. als Wohnhaus mit Stall und Lager erbaut und nach dem Ersten Weltkrieg, das heißt nach dem Bau der Straße 1919, in Hospiz und Gasthaus umgewandelt. Dadurch wurde die Passage ab La Stua in Richtung Norden erleichtert, die bis zu diesem Zeitpunkt nur zu Fuß möglich war. Die restlichen Bauten hat man in Wohnhäuser umfunktioniert.
- Die kleine Werkstatt in La Stua war früher Sägewerk, Getreidemühle, mechanische Werkstatt und Schmiede. Sie bestand aus einer zweistöckigen gemauerten Struktur mit Holzverkleidung, und die darin befindlichen Maschinen wurden mit einer Turbine angetrieben. Diese wiederum wurde von einem Wasserrad in einem kleinen Zubau an der Ostwand (nicht mehr erhalten) angetrieben. Noch gut sichtbar sind der Wasserzufuhrkanal, das Wasserbecken, die Kanalränder, der Ablass und ein Teil des Versorgungskanals; die Werkstatt selbst ist mittlerweile zu einer Ruine verfallen.
Ursprüngliche Nutzung – Erhaltungszustand / heutige Nutzung
Gasthaus/Schenke, Wohnhaus, Werkstatt; seit 1966 nicht mehr genutzt bzw. bewohnt; in baufälligem Zustand und einsturzgefährdet.
Anmerkungen
Die früher in der Region so zahlreichen Werkstätten sind mittlerweile eine Rarität. Die in La Stua ist die einzige heute noch erhaltene im Gebiet des Nationalparks. Es scheint beinahe unmöglich, dass man auf so engem Raum so viele Arbeiten verrichten konnte. Zeugnis dafür ist neben den Spuren vor Ort ein im Archiv des Pionierkorps erhaltener Bericht aus dem Jahr 1935, der sehr interessante Informationen über den Betrieb liefert. Der Versorgungskanal vom Rui Bianch weg war kein stabiles Bauwerk sondern “ein paar Pflastersteine, etwas Schotter und ein bisschen Sand, ordentlich verlegt, sind ausreichend für diesen Zweck”. Der gegrabene Kanal hatte einen rudimentären Überlauf und einen ebenfalls sehr “rustikalen” verdeckten Ablauf. Die Werkstatt selbst hatte zwei Etagen und mehrere Anlagen in ihrem Inneren (darunter auch eine „venezianische Säge”). Die Maschinen wurden über eine Achse und Riemen von einer Pelton Turbine angetrieben. Letztere befand sich in einem kleinen Anbau über dem Bach. Für die Beleuchtung der Gebäude gab es einen kleinen Generator. Im Jahr 1964 war nur mehr die Lichtmaschine in Betrieb, die anderen Maschinen standen bereits still. Man kann hier sicherlich nicht von industrieller Nutzung sprechen; die Werkstatt diente vielmehr dem Eigenbedarf der Dorfbewohner, die weitab von anderen Siedlungen lebten und deshalb alle verfügbaren Ressourcen “bestmöglich nutzen und sich ihrer bedienen mussten (…)”.
Die Siedlung wurde von der Parkverwaltung als Etappenziel einer geplanten Tour zum Thema Wasser aufgenommen. Die Route führt der „Strada della Diga” (Staumauerstraße) entlang durch das Val del Mis bis Titele und beschäftigt sich mit dem Wasser, mit seiner früheren und heutigen Nutzung und den Naturschätzen. Nahe dem Dorf La Stua findet man am gegenüberliegenden Ufer des Rui Bianch ein Besucherzentrum, das zu einer Rast und Besichtigung der Zone einlädt.
Literaturverzeichnis
Casanova P. – Una storia, tante storie, la vita e la gente del Canal del Mis, Biblioteca Civica di Sospirolo – Pro Loco Monti del Sole – PNDB, Tip. Piave, Belluno 1999.
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