Projekt Leader +
Geschichte und Zielsetzungen des Projekts
Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und der anthropologischen Werte der Region gehören zu den institutionellen Zielsetzungen eines Naturschutzgebietes. Der Nationalpark der Belluneser Dolomiten hat deshalb im Jahr 1999 das Projekt “Durch menschliche Eingriffe bedingte Veränderungen der Landschaft: kultivierte Biodiversität” gestartet. Das Projekt wurde von Dr. Daniela Perco entworfen, der Leiterin des Volkskundemuseums der Provinz Belluno und des Nationalparks der Belluneser Dolomiten, und die Finanzierung erfolgte durch Mittel des Leader II Projekts. Vorgesehen war die Sammlung und Katalogisierung von agronomischen und ethnobotanischen Informationen und Daten über die kultivierten Pflanzen (vorrangig Apfelbäume und Bohnen) und auch über die spontan wachsenden Pflanzen, die zum Verzehr, für Riten oder zu religiösen Zwecken genutzt wurden bzw. werden. Parallel dazu war die Schaffung einer ikonographischen Datenbank vorgesehen; diese besteht aus Fotos und farbigen, originalgetreuen Abbildungen der untersuchten Pflanzen. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit IPSAA Feltre durchgeführt und im Jahr 2001 mit einer Konferenz über ähnliche Projekte in anderen italienischen Nationalparks (auf italienisch) abgeschlossen. Mit dem Leader II Projekt konnte somit eine Strategie zur Untersuchung und standardisierten Katalogisierung ausgearbeitet und an andere Zonen weitergegeben werden.
Im Jahr 2003 wurde mit Leader + Mitteln ein zweites Projekt gestartet, das sich als Fortführung des ersten versteht und die Bezeichnung „kultivierte Biodiversität: von der Katalogisierung bis hin zur Erhaltung” trägt. Dieses wird voraussichtlich Ende 2006 abgeschlossen.
Zielsetzungen dieses zweiten Projekts sind:
- die Erweiterung der Datenbank mit historischen Pflanzenarten und die Weiterführung der agronomischen und ethnobotanischen Untersuchungen;
- die Sammlung neuer Fotografien und originalgetreuer Abbildungen;
- die Schaffung zweier Katalogisierungsbereiche, eines für die Ex-Situ-Erhaltung der traditionellen Obstpflanzen und eines zur Einrichtung eines landwirtschaftlichen Netzwerkes zur In-Situ-Erhaltung;
- die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in einem neuen Band der Reihe “Studi e Ricerche” des Nationalparks;
- die Publikation des Codex Bellunensis: ein aus Belluno stammendes Kräuterbuch mit Abbildungen aus dem frühen 15. Jahrhundert, das heute in der British Library in London aufbewahrt wird und mehr als zweihundert Pflanzen und ihre medizinische Verwendung beschreibt. Dieses Werk ist die erste richtige Studie zum Thema der botanischen Biodiversität.
Beide Projekte charakterisieren sich durch ein enges Zusammenspiel agronomischer und anthropologischer Kompetenzen. Innovativ ist auch die Verwendung botanischer Zeichnungen neben den klassischen Fotografien; durch diese Abbildungen ist eine detailgenaue Dokumentation der Pflanzen möglich. Um auch die ethnobotanischen Aspekte (zu denen vor allem die alten Leute auf dem Land befragt wurden) in den Vordergrund zu rücken, hat man unter anderem eine Audio-CD mit Aufzeichnungen einiger Interviews vorbereitet.
Zurzeit beschäftigt sich das Nationalparkamt mit der dritten Phase; die Katalogisierung und die Maßnahmen zur Ex-Situ-Erhaltung bzw. zum Schutz der kultivierten Biodiversität sind bereits abgeschlossen: der dritte Stepp umfasst die kommerzielle Förderung der „geretteten” Arten. Durch die Kennzeichnung mit dem Abzeichen des Nationalparks des frischen Obstes und der Obstprodukte, die von den “Hütern der landwirtschaftlichen Traditionen” angeboten werden, versucht man, den Verkauf dieser Nischenprodukte und ihren direkten Konsum auf Bauernhöfen, Landgütern, Pensionen und Restaurants zu fördern. Dies ist unter anderem ein Versuch zur Unterstützung der sogenannten „kurzen Produktkette”, denn nur dadurch können die Bauern höhere Gewinne erzielen und ihren Betrieben ein Weiterbestehen sichern. Dieser Weg ist nicht einfach, er zeigt aber bereits die ersten positiven Auswirkungen. Wir möchten unter anderem beweisen, dass Valerio Giacomini recht hatte mit seiner Aussage “der Nationalpark sei eine Art zur Verwaltung eines Territoriums und nicht so sehr einer Fläche oder einer Menge von Ressourcen.”
Agronomische und ethnobotanische Untersuchungen
Lehrer und Schüler der Landwirtschaftsschule Vellai (Feltre) haben die im Raum Belluno historischen Hülsenfrüchte, Obstsorten und alle wild wachsenden Nahrungspflanzen in einer sehr umfangreichen Arbeit katalogisiert.
Nadia Breda und Barbara De Luca, Experten für Ethnobotanik, haben anthropologische Untersuchungen über diese Pflanzen gestartet, und befragten alte Menschen, die im Nationalparkgebiet wohnen und viele wertvolle Informationen über den Anbau, die Verbreitung, die früheren landwirtschaftlichen Techniken und die Verwendung der Produkte liefern konnten.
Die agronomischen Datenblätter und die Ergebnisse der Untersuchungen werden im Band “kultivierte Biodiversität im Nationalpark der Belluneser Dolomiten: agronomische und ethnobotanische Untersuchungen im Zusammenhang mit der traditionellen Landwirtschaft” gesammelt, und diesem ist auch eine Audio-CD mit einer Aufzeichnung der wichtigsten Interviews beigelegt.
Man untersuchte und beschrieb 14 Obstsorten, davon 7 Birnensorten:
- Pér Budél
- Pér Bùtiro
- Pér del Diàol
- Pér Gnòc
- Pér Moscatèl
- Pér Path
- Pér Spada
und 7 Apfelsorten:
- Pòn dal Fèr de Cesio
- Pòn dal Fèr Ròs
- Pòn Prussian
- Pòn Prussian giallo
- Pòn Prussian rigato
- Pòn da la Roséta
- Pòn Ruden
Die katalogisierten Hülsenfrüchte sind die Gialèt Bohne und die Belluneser Feldbohne; die untersuchten Spontanpflanzen waren Wildhopfen (Bruscandol) und Kornelkirsche (Cornolèr).
Ikonographische Datenbank
Die auf botanische Zeichnungen spezialisierte Malerin Patrizia Pizzolotto hat zahlreiche farbige Abbildungen über die historischen Arten angefertigt.
Neben detailgenauen Abbildungen der Knospen, Äste, Blätter, Blüten, Früchte und Samen jeder einzelnen Pflanzenart illustrierte sie auch einige Geräte, die früher in der Landwirtschaft verwendet wurden, zum Beispiel bei der Schädlingsbekämpfung, bei der Ernte, beim Pfropfen oder beim Beschneiden. Andere Abbildungen zeigen, wie man die Spontanpflanzen verwenden kann, so zum Beispiel eignet sich das Holz der Kornelkirsche zum Herstellen von Werkzeugen.
Die farbigen Zeichnungen sind unter anderem auf dem Jahreskalender 2000 und 2001 des Nationalparks zu sehen; der erste ist den Äpfeln gewidmet und der zweite den Birnen. Alle diese Abbildungen wurden im Bilderatlas des Bands “kultivierte Biodiversität im Nationalpark der Belluneser Dolomiten” gesammelt. Einige Originale hingegen sind im Volkskundemuseum der Provinz Belluno und des Nationalparks der Belluneser Dolomiten in Serravella di Cesiomaggiore zu bewundern.
Obsthaine
Als Beitrag zum Schutz der untersuchten antiken Apfel- und Birnensorten hat man zwei „Katalog-Obsthaine” angelegt.
Der erste befindet sich in Col dei Mich (Gemeinde Sovramonte) in der Nähe eines antiken Gebäudes, das vom Nationalparkamt gekauft und saniert wurde und in dem heute ein Restaurant untergebracht ist.
Beim Apfelbaum wurde eine M106 Unterlage verwendet. Diese konnte bereits mit dem Pom Prussian und anderen Sorten getestet werden und zeigte neben einer optimalen Kompatible auch eine gute Entwicklung der Pflanze, das heißt sie ist durchaus mit wilden Unterlagen zu vergleichen; Im Unterschied zu dieser aber garantiert eine monoklonale Unterlage eine gleichmäßigere Größe und ein ausgewogeneres vegetatives Verhalten der Bäume.
Bei den Birnbäumen verwendete man eine aus Wildsamen gezogene Unterlage, die den Bäumen eine lange Lebensdauer garantiert. Alle Unterlagen sind biologisch zertifiziert.
Der Obsthain in Col dei Mich hat 13 Apfelsorten und 7 Birnensorten: hier wachsen also nicht nur die untersuchten Sorten sondern auch andere Äpfel; diese sind zwar nicht typisch für den Raum Belluno, sie wurden aber früher hier angebaut.
Der zweite Katalog-Obsthain befindet sich in Vellai di Feltre auf dem Gelände der Landwirtschaftsschule IPSAA. Als Unterlage verwendete man hier den ehemaligen Obsthain des Schulinstituts und veredelte ihn mit dem Pfropfreis historischer Sorten, das heißt auch in diesem Fall hat man wilde Unterlagen genutzt. In Vellai gibt es 7 Birnensorten und 7 Apfelsorten.
In nachstehender Tabelle finden Sie Daten über die in beiden Hainen angepflanzten Sorten:
Varietà | Col dei Mich Sovramonte | Vellai Feltre | |
Melo | Pòn dal Fèr de Cesio | X | X |
Melo | Pòn dal Fèr Ròs | X | X |
Melo | Pòn dal Fèr Bianco | X | |
Melo | Pòn Prussian | X | X |
Melo | Pòn Prussian giallo | X | X |
Melo | Pòn Prussian rigato | X | |
Melo | Pòn da la Roséta | X | X |
Melo | Pòn Ruden | X | X |
Melo | Pòn dall’oio | X | |
Melo | Elen | X | |
Melo | Rivon | X | |
Melo | Rosetta mantovana | X | |
Melo | San Piero rosso | X | |
Melo | Canada rosso | X |
Varietà | Col dei Mich Sovramonte | Vellai Feltre | |
Pero | Pér Budél | X | X |
Pero | Pér Bùtiro | X | X |
Pero | Pér del Diàol | X | X |
Pero | Pér Gnòc | X | X |
Pero | Pér Moscatèl | X | X |
Pero | Pér Path | X | X |
Pero | Pér Spada | X | X |