Adler in den östlichen Alpen

Das Projekt “Der Steinadler in den Ostalpen”. Ein Beispiel für die Kollaboration von Naturparks

Zu Beginn des Jahrhunderts war der Steinadler im gesamten Alpenraum vom Aussterben bedroht. Durch das Einrichten von Schutzgebieten und dank der gemeinsamen Anstrengungen diverser Länder konnte der König der Lüfte im letzten Moment gerettet werden. Im Jahr 2001 starteten fünf große Naturschutzgebiete, nämlich der Nationalpark der Belluneser Dolomiten, der Naturpark Fanes-Sennes-Prags, der Naturpark Rieserferner-Ahrn, der Nationalpark Stilfserjoch und der österreichische Nationalpark Hohe Tauern ein gemeinsames Projekt zur Erfassung der Steinadlerbestände: seit drei Jahren führen sie nun gemeinsame Aktivitäten im Bereich Monitoring und Forschung durch und möchten damit das Überleben einer Tierart sichern, die wie keine andere mit dem Lebensraum Alpen verbunden wird. Die einzelnen Naturparks erfassen die Daten koordiniert und standardisiert, und man untersucht die Größe und die demografische Entwicklung der Steinadlerpopulationen in den beteiligten Gebieten (insgesamt zirka 3.200 km2).
Neben den Reproduktionsraten von 70 Steinadler-Brutpaaren erfasst man unter anderem Informationen über die Lage der Horste und die Standortcharakteristika (Höhenlage, Art, Größe) der Brutplätze.  
Grundlegend ist, dass die Tiere geeignete Horstplätze finden. Steinadler bauen sehr große Horste und nutzen sie oft über Jahre hin. Normalerweise hat ein Brutpaar mehrere Brutplätze, die im Abstand von ein oder zwei Jahren genutzt werden. In den betroffenen Regionen registrierte man 2 bis 11 Horste pro Territorium.
Die Brutplätze der Steinadler liegen generell tiefer als ihr Jagdrevier. Meist befinden sie sich auf Felswänden an der oberen Waldgrenze, und so müssen sie die Beute nicht nach oben transportieren, sondern können sie im Abwärtsflug zum Horst fliegen.
Durch die Analyse von Nahrungsresten können die Nahrungsgewohnheiten der Steinadler untersucht werden, denn ihr Beutespektrum variiert regional aber auch jahreszeitlich sehr stark.
Nahrungsreiche Territorien sind eine weitere Voraussetzung für den Lebensraum der Steinadler. Die Reproduktionserfolge der einzelnen Steinadlerpaare werden ganz wesentlich davon beeinflusst, ob Störkonflikte vorliegen. Werden diese Vögel in der Nähe ihrer Horste gestört, verlassen sie den Brutplatz, und damit auch die Eier oder die Küken. Oft kommen sie erst nach Jahren zurück, manchmal aber auch nie mehr. Diese Störkonflikte ergeben sich unter anderem durch die Präsenz von Climbern, Drachenfliegern, Waldarbeitern, Hubschraubern, Hobbyfotografen und (zu) neugierigen Touristen. Sehr problematisch sind auch Hochspannungsleitungen, Seilbahnen und ähnliche Strukturen in der Nähe der Horste.

Im Nationalpark der Belluneser Dolomiten wurden die Daten im Jahr 2004 von Giuseppe Tormen, Enrico Canal, Fabrizio Friz, Gianni Poloniato und Enrico Vettorazzo gesammelt. Man hat acht Brutpaare gefunden und überwacht, mit 33 Horsten, die sich vorwiegend auf einer Seehöhe zwischen 1.000 und 1.400 m befinden.
Für den Schutz der Steinadler ist es sehr wichtig, den Bestand regelmäßig zu kontrollieren. Nur durch ein konstantes Monitoring der Brutpaare und ihrer Reproduktionsraten ist es möglich, negative Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Durch die Schaffung großer Schutzgebiete wie Nationalparks und Naturparks finden die Steinadler heute ausreichend große, gut erhaltene und ruhige Lebensräume, genug Nahrung, und eventuelle Störkonflikte können weitestgehend vermieden werden. Eine internationale Kooperation beim Monitoring der Bestände und koordinierte Schutzmaßnahmen sind eine Voraussetzung, wenn man den Steinadler auch in Zukunft hoch über unseren Bergen kreisen sehen will.
Mit diesem Projekt kann unter anderem die Kohärenz des Natura 2000 Netzwerkes überprüft werden; das ist besonders wichtig für den Steinadler, denn er stellt eine Zielart der europäischen Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) dar.
Die gesammelten Daten  werden für eine möglichst breitgefächerte Öffentlichkeitsarbeit über den Steinadler verwendet und um zu zeigen, wie wichtig übernationale Strategien zum Naturschutz sind:  die effizientesten für Arten wie die Adler haben einen besonders großen Aktionsraum.
Aus diesem Grund wurde besonders großer Wert auf Initiativen zur Verbreitung gelegt. Man richtete das Internetportal www.aquilalp.net ein und plante die jährliche Herausgabe eines Steinadler-Newsletters über die Ergebnisse dieses Projekts, die Publikation einer leicht verständlichen Broschüre über den Steinadler und die Erstellung einer Wanderausstellung zum Thema Steinadler.  
Neben den traditionellen Tafeln mit Fotos und Beschreibungen kommen bei der Ausstellung auch moderne multimediale Techniken mit spektakulären Filmaufnahmen zum Einsatz. Man gibt Auskunft über interessante und nicht sehr bekannte Aspekte des Lebens der Steinadler, über seine Nahrungsgewohnheiten (in einer Vitrine sind die aus einem Horst stammenden Nahrungsreste ausgestellt), über sein legendäres Sehvermögen und über seine Verbreitung im Alpenraum und in der ganzen Welt.  Außerdem findet man Hinweise, wie man den Steinadler in der Luft erkennt bzw. von anderen Vögeln unterscheidet. Anhand eines interaktiven Geräts kann man testen, wie stark man selbst im Vergleich zu den Krallen eines Steinadlers ist. Auf den Landkarten der fünf beteiligten Natur- und Nationalparks sieht man die Territorien der Steinadler-Brutpaare eingezeichnet, und die letzte Sektion beschäftigt sich mit den Aktivitäten der Menschen, die eine potentielle Gefahr für den Steinadler darstellen, und man zeigt, welche gemeinsamen Schritte zum Schutz dieses Raubvogels unternommen wurden.

Das im Rahmen des Interreg Programms INTERREG IIIa Italien-Österreich durchgeführte Projekt ist aus den Mitteln des europäischen Fonds für regionale Entwicklung, aus Mitteln der Länder Kärnten, Salzburg und Tirol, aus Mitteln des österreichischen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, aus Mitteln der Republik Italien, der autonomen Provinz Bozen und der Region Venetien gefördert.